Ich kann den Wunsch verstehen. Aber ich denke, genau das ist die Krankheit. Zum gesund werden müsste man diese Kontrolle ablegen. Ich verstehe übrigens nicht, was das damit zu tun hast, dass du nicht im Untergewicht bist. Wäre es nicht viel schöner, wenn du irgendwann mal wieder auf deinen Körper hören könntest? „Orandum est ut sit mens sana in corpore sano“, immerhin das habe ich mir im Lateinunterricht gemerkt
Jaaah schön wäre es auf jeden Fall und ich wünsche es mir auch, aber ich glaube noch nicht daran, ich kenne mich und momentan bin ich noch weit davon entfernt...vielleicht einmal wenn mich das Leben geformt hat, ich mich weiterentwickelt habe, ich so weit sein werde und einen Kinderwunsch haben werde, dann werden dieser Zwang und diese Krankheit weg sein. Momentan sitzt es zu tief, ich muss mich selber verändern und zuerst an mir arbeiten, um überhaupt an eine Heilung der Esstörung wirklich glauben zu können. Es würde mich sehr sehr freuen durch das Forum zu sehen, wie andere User über dieses Thema reflektieren. Zum Beispiel ganz konkret, kann sich jemand überhaupt vorstellen in fünf Jahren die ES überwunden zu haben?
Nicht wenn du nicht jeden Tag darum kämpfst. Das habe ich auch immer gedacht. Am Ende hab ich feststellen dürfen, dass der erste Schritt die Akzeptanz meines aktuellen Ichs ist. In dem man auf Veränderung wartet schiebt man das vor sich her. Man wird keine andere Person, auch wenn man das noch so sehr versucht, also kann man auch im Hier und Jetzt anfangen.
Ich ertappe mich da such immer wieder bei. Vor allem bei Personen, die mir überstehen. Dozenten, Anleiter, jmd aus der Chefetage. Bei denen schau ich doppelt und dreifach hin. Dabei erwische ich mich immer wieder wie ich in Schubladen denke... alt und sehr dünn = krank ("hat bestimmt Krebs,,,") und bei jungen denke ich eher = essgestört. Dabei gibt es dazwischen ja eigentlich so viel mehr. Und gerade mit meinem Beruf sollte ich es besser wissen.. Dennoch irgendwie denkt man halt häufig in so Schubladen.
Nochmal zum eigentlichen Thema zurück: Auch ich analysiere mehr oder weniger bewusst Menschen auf ihr Essverhalten und darauf, ob sie andere psychische Krankheiten haben. Ich denke, das passiert erstmal passiv, aber ist ganz normal, weil man wissen möchte, dass man nicht der oder die Einzige in seinem Umfeld damit ist. Manchmal interpretiere ich in Verhaltensweisen anderer Menschen aber auch zu viel rein. Was ich toll fände, wäre, dass über jedem Kopf von Menschen, die z.B. eine Essstörung haben, ein Symbol aufblinkt, das aber nur die anderen Essgestörten sehen können. Hört sich sehr komisch an, haha. Aber ich glaube, dass sich dann viel weniger Menschen allein fühlen würden! Das passiert mir auch oft und nicht nur beim Essverhalten, sondern generell leider zu viel.
Das fänd ich persönlich ganz furchtbar. Ich würde nicht wollen, dass das Erste was man an jemand anderem sieht, der Essgestörten-Stempel ist (auch wenn es nur für diese sichtbar wäre). Erstens ist das etwas sehr Persönliches was nicht jeden was angeht und zweitens möchte ich Menschen weitestgehend unvoreingenommen begegnen. Ich bin viel mehr als meine Essstörung. Und grade auch unter Essgestörten kommt es ja auch oft zu einer Art Konkurrenzdenken und sowas würde das dann womöglich noch verstärken..
@Nariam, danke, dass du diese Seite auch beleuchtest. So hatte ich es noch gar nicht gesehen, aber ich stimme dir zu, dass eine Essstörung etwas sehr Persönliches ist. Es war auch nur ein rein hypothetisches Denken. Und natürlich ist man mehr als seine Essstörung! Aber bei mir persönlich nimmt sie einen sehr großen Teil meines Lebens ein und ehrlich gesagt kann ich mir ein Leben ohne gar nicht mehr so ganz vorstellen. Also nicht, dass ich nicht wieder gesund werden möchte - ich würde es natürlich gerne sein, aber ich bin leider noch irgendwie mittendrin. Aber manchmal fände ich sowas durchaus praktisch. Ich habe zum Beispiel jahrelang zwei Mädchen in meiner Schule vom Sehen her gekannt und sogar ein paar Worte mit ihnen gewechselt, ohne zu wissen, dass wir ähnliche Probleme hatten/haben - und seit drei Monaten wissen wir von den gegenseitigen Problemen und schreiben jeden Tag. Eine solche Unterstützung hätte ich mir schon viel früher gewünscht, doch leider hat es jeder für sich versteckt.
Ich glaube so etwas hätte, wie alles andere auch, positive und negative Aspekte, aber es gibt wohl einen Grund, warum das Universum das so eingerichtet hat wie es ist.
Mir ist das im umgekehrten Fall passiert. Vor zwei Jahren habe ich eineinhalb Monate in einer Kinder- und Jugendpsychiatrie gearbeitet - in einer Tagklinik. Wir haben Kinder und Jugendliche im Alter von 6-16 Jahren, mit den unterschiedlichsten psychischen Belastungen und Krankheiten, betreut. Nach zwei Wochen meiner Arbeit bekamen wir ein Kind (16J.) in die Gruppe, welches in erster Linie wegen Verdacht auf Depressionen zu uns kam. Die behandelnde Ärztin meinte, dass das Kind wohl eher eine Essstörung habe, da sie extrem dünn sei und sich objektiv betrachtet, auch wie so verhielt. Als ich sie das erste mal sah, wusste ich, was die Therapeutin meinte. 1,76 cm groß und 47 Kilo schwer. Sie schwebte geradezu. Zum Ende hin kristallisierte sich heraus, dass sie definitiv unter einer Essstörung litt. Ich selbst war anfangs erstmal völlig überfordert, mir war bewusst, dass es mir passieren könnte, dass jemand mit dieser Krankheit vor mir steht, was es aber mit mir machen würde, wusste ich nicht, da es mir bisher auf diese Weise nie passiert ist. Sie wusste nichts von meiner Essstörung. Sie wusste also auch nicht, was es mit mir machte, wenn sie mich während dem Essen anstarrte und jede Erbse die in meinen Mund landete zählte und nach Kalorien bewertete - aber so starrte sie mich an. Das ganze essen über. Es war das einzige und letzte mal das ich mit aß - für den Rest meiner Zeit dort, legte ich meine Pause immer auf das Mittagessen. Es ist das unangenehmsten überhaupt, wenn man bemerkt, dass das eigene Essverhalten analysiert wird. Seitdem mach ich das selbst bei anderen sich nicht mehr. Ich denke, als sie das tat, hat sie in meinem Essverhalten Teile ihres eigenen Essverhalten gesehen.. möglicherweise hat sie es nicht zu Ende gedacht - sie hat mich nicht drauf angesprochen, aber sie beobachtete mich danach mehr, sie musterte meinen Körper, sie analysierte einfach alles. Natürlich ist es gemein, jemanden durch Schubladendenken, auf ein Merkmal des Verhaltens hin zu ‚disgnostizieren‘ oder ‚irgndwo einzuordnen‘ letztlich bildet man sich aber genau so eine anfängliche Meinung zur Person. Ich mache das auch, Tag täglich. Aber ! Ich hab mir angewöhnt, trotzdessen unvoreingenommen der Person gegenüber zu stehen. Frei nach ‚okay, das ist meine Meinung über dich jetzt lass mich deine Meinung über dich kennenlernen‘.
Hey, Mir geht es auch oft so, ich denke das hat sich quasi im Unterbewusstsein eingebrannt hui... Ich achte auch immer auf die Figur anderer, Essensmenge etc.