Disziplin und Essstörung

Dieses Thema im Forum "Diskussionen" wurde erstellt von Klarissa, 5. November 2012.

  1. Gast

    Klarissa

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    Hallo liebes Forum.

    Auf vielen Pro Ana Blogs dreht es sich immer wieder um das Thema Disziplin. Ich weiß, dass man die Pro Ana Bewegung nicht direkt mit einer Essstörung vergleichen kann. Viele ihrer Verfechterinnen sind junge Mädchen, die anfangen zu hungern um ein paar Kilos abzunehmen, aber immer wieder scheitern und es irgendwann wieder aufgeben. So zumindest mein Eindruck aus zahlreichen (häufig schon verlassenen) Blogs.

    Ich frage mich inwieweit Disziplin in einer Essstörung eine Rolle spielt. Gehört Disziplin tatsächlich dazu oder ist es so, dass Essgestörte sich gar nicht zurückhalten und zwingen müssen, da sie nicht essen können, selbst wenn sie es wollten bzw. dass es ihnen sehr schwer fällt?

    Wie äußert sich das Thema Disziplin im Alltag einer essgestörten Person?

    Ich würde mich über ein paar Ansichten und Antworten freuen. Das Thema beschäftigt mich gerade und ich finde es hier so bemerkenswert, dass immer ehrliche und informative Antworten gegeben werden.

    Liebe Grüße,
    Klarissa
     
  2. ehemaliges Mitglied

    Nymphetamine

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    Dabei seit 10. April 2012
    Hallo Klarissa,

    ich finde das gar nicht so leicht zu beantworten. Ich selber messe mein Essverhalten schon ein Stück weit in Disziplin, obwohl ich fast eher "Kontrolle" dazu sagen würde. Versteh mich nicht falsch, ich weiß, dass eine ES nichts mit Kontrolle zu tun hat. Aber eben viel mit Kontrollverlust.

    Wenn ich nicht esse, hat das allerdings nicht wirklich etwas damit zu tun. Ich kann dann nicht essen, weil ich solche Panik vor jeden Bissen habe, dass es einfach nicht geht. Es ist dann ein einziger Kampf mit mir selber, hat aber nicht wirklich was mit Disziplin zu tun. Klar, ich kenne Gedanken wie "sei doch mal disziplinierter und iss das jetzt nicht", aber eigentlich... hm. Ich muss ja nochmal drüber nachdenken.

    LG Nymphe
     
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  3. Member

    cranberry

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    Dabei seit 21. Juni 2012
    Hey Klarissa,

    Ich finde auch, dass das Wort Kontrolle bzw. "Kontrollverlust" treffender als Disziplin ist. Disziplin hat immer etwas "besonderes". Während es für mich in hellen Momenten absolut nichts besonderes oder erstrebsames ist, möglichst wenig zu essen.
    Während ich mir - auch in hellen Momenten - bewusst bin, dass es mir vorallem darum geht, Kontrolle über mich zu haben. Es ist, als würde ich mir beweisen wollen, wenigstens irgendetwas kontrollieren zu können.
    Hach.. Ich find's auch schwierig.. Irgendwie ist da ein feiner Unterschied..
     
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  4. ehemaliges Mitglied

    Lilith

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    Dabei seit 26. Juli 2011
    Hallo Klarissa,

    die Frage ist tatsächlich nicht leicht zu beantworten. Hungergefühl und es-sich- verbieten wird wohl bei jeder Betroffenen anders sein.
    Ziemlich gemeinsam haben wir allerdings die Angst vorm Essen, bzw. den daraus resultierenden Selbsthass und die Schuldgefühle.

    Ich selber bin Bulimikerin.
    In dem Bezug würde ich irgendwo schon von Disziplin , oder wie Nymphe besser sagt Kontrolle, sprechen.
    Mein Feind ist das Essen/Fressen, nicht die Gefahr des Abmagerns.
    Die Bulimie kann ich nur so unterdrücken, indem ich hungere.
    Besonders am Anfang ist das schwer. Sicher verspürt man Hunger. Hinzu kommt Gewohnheit, Soziales und Langeweile. Man isst, obwohl man es nicht wollte und hasst sich anschließend, bzw. währenddessen.

    Dann gibt es aber auch Phasen, in denen ich kaum esse. Jeder Bissen ist geplant. Würde ich den nicht planen, könnte ich den auch nicht essen. Eben weil ich so enorme Angst vor der Maßlosigkeit habe.
    Ich kann nicht anders: hungern oder fressen.
    Jeder Bissen plagt das Gewissen.
    Satt ist man ohnehin nie.
    In solchen Phasen verspüre ich aber auch keinen wirklichen Hunger. Manchmal ist´s Lust; Fressanfälle. Aber kein Hunger.

    Ist das Disziplin, wenn man sich zwingt nichts zu essen, weil man weiß, dass einen ansonsten die Negativgefühle wahnsinnig machen?
    Keine Ahnung.
    Ich kann dir leider keine zufriedenstellende Antwort geben.

    Lieben Gruß, :th_thPink_Cat_angel
    Lilith
     
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  5. ehemaliges Mitglied

    Winterfee

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    Dabei seit 10. März 2012
    So ich versuche dir nun auch noch eine Antwort zu geben.
    Ich denke genau wie erwähnt wurde, dass Disziplin das falsche Wort ist. Mit Sicherheit hat es damit zu tun, ob man sich zurückhält beim Essen oder nicht, aber es ist absolut nichts worauf man stolz sein kann/sollte. In diesem Sinne würde ich es eher Angst vor Kontrollverlust nennen. Obwohl meine Vorrednerinnen bereits sehr gut erklärt haben, dass es eben die Kontrolle ist, denke ich schon, dass es mit Selbstdisziplin zu tun hat, nur eben derart übersteigert und mit Angst verbunden, dass es ins Negative geht. Ich denke gerade als Essgestörte habe ich zumindest mit den Extremen zu kämpfen. Nichts oder Alles. Es geht nicht primär darum nichts zu essen, nein. Aber man kann sich schlecht stoppen, wenn man mal begonnen hat, denn eigentlich schmeckt das Essen ja immernoch. Man versucht es nur zu kontrollieren und dies tut man eben Zwanghaft. Essen ist nicht bedeutungslos, leider ist es überbedeutsam geworden. Wie Lilith sagt, hasst man sich selber beim Essen, weil man die Folgen als Versagen ansieht.
    Ich denke ich kann sagen, dass das Selbstbewusstsein hier ziemlich dünn gestreut ist. Man sieht sich oftmals als Versager an, der nichts kann. Aufgrund meist tiefer liegenden psychologischen Gründen versucht man dann eben ,,wenigstens" beim Essen nicht zu ,,versagen". Also lautet meine Antwort Ja und Nein. Ja als Essgestörte hat man mit Disziplin zu kämpfen, bei jedem Bissen und bereits vorher, weil man alles versucht zu planen, oder es eben eskaliert. Aber Nein, weil es eben mehr als Disziplin ist und zwar im negativen Sinne. Es ist ein Zwang, der uns kontrolliert und nicht umgekehrt. Das ist das Problem.

    Ok, ich glaube ich bin abgeschweift, ich hoffe du kannst trotzdem etwas damit anfangen.

    Liebe Grüsse

    Winterfee :)
     
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  6. ehemaliges Mitglied

    Fuzzy

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    Dabei seit 5. November 2012
    Ich habe jetzt lang darüber nachgedacht, ob ich wirklich hier etwas schreiben soll oder nicht, ich finde deine Frage zunächst einmal sehr gut formuliert und durchdacht und sie hat mich tatsälich zum Nachdenken gebracht.

    Ich persönlich habe in meinen Phasen, in denen ich wenig gegessen habe, keine Disziplin gebraucht um zu Fasten, aber ich hatte um so mehr Probleme zumindestens etwas zu essen oder zu trinken. Es bereitete mir große Qualen und ich brauchte mich vom Essen in keiner Weise fernhalten.
    Nun bin ich in einer anderen Phase, ich habe viel gegessen, vielleicht sogar ziemlich normal, aber ich brauche nun Disziplin, damit ich nicht in die "Maßlosigkeit" verfalle, die Lilith erwänt hat. Das hat nichts mit abnehmen oder meinem "kranken" Denken zu tun, sondern mit dem Rest Vernunft der in mir schlummert. Denn ich weiß, dass ich jetzt wieder maßlos werde, viel, zuviel esse, dann falle ich in meine alten Muster zurück und davor habe ich große, habe ich sehr große Angst. Wenn ich jetzt nicht ein wenig dizipliniert (in meinem Sinne) bin, dann verliere ich den letzten Rest meiner Kontrolle
     
  7. Gast

    Klarissa

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    Herzlichen Dank für eure Antworten.

    Ich selbst habe keine Essstörung, aber könnte nach eigner Einschätzung ein paar überflüssige Pfunde verlieren, so wie sicher viele Frauen. Ich ärgere mich, dass ich nicht die nötige Disziplin habe, auf Naschereien und unnötigen Alkohol zu verzichten um auf mein Wunschgewicht zu kommen.

    Jetzt habe ich mich gefragt ob Magersüchtige eventuell anfangs eine stärkere Disziplin bzw. Willenskraft aufweisen, da sie den Verzicht schaffen. Ich weiß, dass meist eine Psychische Ursache vorliegt, aber es soll ja auch Fälle geben, die durch einen Abnehmwunsch und Diäten in die Essstörung gerutscht sind. Ich habe mich gewundert welche Einflüsse dazu führen, was der Unterschied ist.

    Noch einmal vielen Dank für eure Antworten. Durch sie kann ich vieles besser verstehen und nachvollziehen. Ihr konntet mir die Gefühle und Zusammenhänge so sehr gut erläutern.

    Liebe Grüße

    Klarissa
     
  8. Gast

    zimtstern

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    Ich denke auch, dass Disziplin in meinem Alltag eine große Rolle spielt.
    An einem Tag heißt diszipliniert sein, dem Gefühl zu widerstehen sich maßlos vollzustopfen. An einem anderen Tag heißt Disziplin trotz größter Abneigung zu frühstücken, weil ich weiß, dass ich sonst im Laufe des Tages kreislauftechnisch garnicht klarkommen würde. Es dreht sich eben alles um Kontrolle und ich denke, dass zumindest bei mir die Disziplin darin besteht, meinen Plan, den ich mir vorher in meinem Kopf gemacht habe, einzuhalten und weder in das eine noch in das andere Extrem zu verfallen. Natürlich klappt das viel zu oft nicht, aber Disziplin heißt für mich auch nach dem Scheitern wieder weiterzumachen und sich nicht aufzugeben.
     
  9. ellyprecious

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    Ich weiß nicht, ob das jetzt dazupasst zu Disziplin, Sekbstkontrolle oder wie man das jetzt nennen mag (weil man darüber sicher gut diskutieren könnte..), aber ich zB koche leidenschaftlich gern für Andere.. meinem Freund, meinem besten Freund und einen guten Freund.. Ich persönlich esse NIE was davon .. ich hab auch kein Bedürfnis das jetzt in mich reinzustopfen. Ich kann mich auch ohne Probleme dazusetzen und zuschauen während sie essen und dann analysiere ich das genauer und frage mich warum man eigentlich essen muss und wie unappetitlich das eigentlich ausschaut..
     
  10. Gast

    Madeleine

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    Disziplin gehört zu einer Diät. Wenn man abnehmen möchte, braucht man Disziplin, doch wenn man wirklich in einer Essstörung steckt, hat das meiner Meinung nach nichts mehr mit Disziplin zu tun. Es wurde schon angesprochen, dass dann eher von Kontrolle bzw. Kontrollverlust die Rede ist.
    Ich würde sogar so weit gehen und sagen, man hat die Disziplin komplett verloren, wenn man in einer ES ist. Denn wenn ich einfach nur diszipliniert wäre, könnte ich mit alldem aufhören und mal einen Tag Pause machen. Weil ich aber keine Disziplin für die ES brauche, kann ich aber eben nicht mal Pause machen.

    Aber ich denke durchaus, um deine Frage zu beantworten, dass diejenigen, die wirklich magersüchtig geworden sind (Magersüchtig - nicht unbedingt jede andere Form der Essstörung), eine viel größere Disziplin haben und mehr Ehrgeiz mit sich bringen. Daher liest man ja so oft, dass die Menschen, die sehr gut waren und immer nach dem Perfektionismus gestrebt haben (Name des Forums!), mehr gefährdet sind, in so etwas zu rutschen.
     
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