Was mir aufgefallen ist, dass man sich bei der Anorexie (vielleicht auch bei anderen ES?) in der Recovery Phase sich zwischen Disziplin und Loslassen befindet. Zum einen ist man trotzdem gezwungen eine Disziplin in das tagtägliche Essverhalten rein zubringen, damit es nicht komplett ausartet, aber bei zuviel Disziplin rutscht man leicht wieder in das vertraute, zwanghafte wenig Essen ab. Mich würde es interessieren, wo ihr gerade steht und was ihr mehr anstrebt? Ich war im dem letzten Jahr vermehrt in der Loslassen Phase. Zur Zeit habe ich viel Disziplin meine Essroutine einzuhalten. Ich merke, dass ich gerade etwas zu obsessiv damit werde und versuche einbisschen mehr an dem Loslassen zu arbeiten.
Oha, schwierige Frage. Ist ein seeehr schmaler Grad zwischen Disziplin und Loslassen habe ich festgestellt. Manchmal sogar so schmal, dass man in einem Augenblick auf die eine, und im nächsten Augenblick auf die andere Seite taumelt. Es ist ein Kreislauf, aus dem man schwer wieder ausbrechen kann, denn wie bei einer "normalen" Sucht ist es bei Essstörungen leider nicht möglich auf die "Droge" zu verzichten und Abstand zu nehmen. Man ist quasi tagtäglich damit konfrontiert und immerzu am Schwanken. Ich selber weiß nicht wirklich, was ich will, deswegen ist das momentan wahrscheinlich so schwierig. Wer kein wirkliches Ziel vor Augen hat, kann auch auf keines hinarbeiten. Eigentlich will ich ja gesund werden und wieder ganz unbeschwert essen können. Aber irgendwie auch nicht, weil das restriktive Essen oder brechen mir das Gefühl geben, einen Halt im Leben zu haben, an dem ich mich festhalten kann. Damn. Das ist wirklich eine schwierige Frage, Vela Hat das bei dir gerade einen bestimmten Grund, also weißt du, woher das Obszessivere jetzt auf einmal wieder stärker geworden ist?
Das ist wirklich eine gute Frage! Ich finde es auch interessant, was Calla gesagt hat, und zwar: Droge. Das ist nämlich der Punkt. Wahrescheinlich bei vielen Menschen mit Essstörung. Genaueres weiß ich aber nur von mir. Wenn ich in der Wiederherstellungsphase bin, bin ich meistens mit den Gedanken schon beim nächsten Schritt. Ich bin im Thema Essstörung vom atypischen. Das heißt bei mir geht es nie voran. Nehme ich mir vor Loszulassen, so werde ich scheitern, weil ich es ohne Hungern nicht schaffe. Will ich meine Disziplin aufstocken, so werde ich verlieren, da ich - vielleicht drücke ich mich so aus - einfach nicht dafür geschaffen bin. Ich kann nicht mit und ich kann nicht ohne. Ich bin immer in einem Teufelskreis. Gerade strebe ich Disziplin an und arbeite und hoffe für gute Ergebisse. Der Punkt ist: Ich habe kein Zielgewicht, wie Calla das beschrieben hat. Geht das überhaupt...?
Du hast hier gerade mein grösstes Problem angesprochen. Ich habe keine Disziplin mehr, aber ich kann auch noch nicht loslassen. Das bringt einen in einen Teufelskreis von Schuldgefühlen der gesunden, wie auch der kranken Persönlichkeit gegenüber. Wonach ich zurzeit strebe? Nach einer Entscheidung hinter der ich auch wirklich stehen kann und mir nicht einfach nur aufgezwungen wurde.
