Leben nach der Magersucht?

Dieses Thema im Forum "Diskussionen" wurde erstellt von Carina, 29. Oktober 2018.

  1. Gast

    Carina

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    Top Poster des Monats

    Hallo :)

    Ich bin Carina und 21 Jahre alt.
    Ich hab gerade erst dieses Forum entdeckt.
    Ich war schon länger auf der Suche nach einem Ort wo man sich austauschen kann und hier hab ich endlich Mal das Gefühl man unterstützt sich wirklich beim gesund werden und nicht beim krank sein...
    Also hier ein bisschen meine Geschichte und meine Frage:
    Ich bin mit 15 an Magersucht erkrankt. Die erste Zeit hat es zwar keiner bemerkt aber in meinem Kopf waren die Gedanken recht schnell fest verankert. Natürlich hat sich das dann auch bald auf mein Gewicht ausgewirkt und ich hab in ca nem halben Jahr 20 Kilo abgenommen. Nach den ersten 5 kamen zwar schon besorgte Kommentare aber ich war dann nicht mehr zu stoppen, es war ein Selbstläufer. Schließlich bin ich mit 16 und einem BMI von 11 ins Krankenhaus gekommen...Sie haben mir drei Möglichkeiten gegeben: Sonde, Psychiatrie oder trinknahrung.
    Ich hab dann einen Vertrag unterzeichnet und durfte mit Auflagen (trinknahrung) wieder nach Hause. Dort habe ich dann auch zugenommen aber es war ein einziger Alptraum. Ich hatte schwere Depressionen, Suizidgedanken/Pläne, und mit Selbstverletzungen zu kämpfen.
    Also kam ich doch in die geschlossene Psychiatrie wegen Suizidgefahr. Dort wurde meine Magersucht schon garnicht mehr erst genommen, weil ich schon wieder bei nem 17 BMI war. Dann bin ich nach ner Woche auf die offene gekommen und war dort ein halbes Jahr. Danach bin ich in eine betreute WG gezogen und hatte zwischendrin noch zwei weitere Klinik Aufenthalte. Nebenbei war ich immer ambulant angebunden. Ich hatte also alle Hilfe und Unterstützung die man sich nur wünschen kann...
    Und trotzdem sitze ich jetzt hier und muss das Schreiben.
    Ich habe einfach das Bedürfnis wertfrei mit euch zu schreiben, zu wissen wie ihr mit eurer Essstörung umgeht auch oder vor allem wenn ihr nach aussen für die meisten wieder gesund scheint.
    Denn eigentlich ist das das schwierige finde ich, hat man nicht mehr Untergewicht wird angenommen man habe alles im Griff aber ich für meinen Teil fühle mich nicht so als hätte ich etwas im Griff.
    Ich habe in den letzten Jahren meist mein Gewicht gehalten, immer so knapp im unteren Normalgewicht.
    Ich habe mir auch viel aufgebaut in letzter Zeit das mich ans und ins Leben bindet aber trotzdem denke ich jeden Tag an Kalorien, Nummern, zahlen, essen, Sport.... Vergleiche mich ständig. Ich Versuche das alles für mich zu behalten da ich auch viele Menschen in meinem Umfeld habe die auch an Essstörungen leiden und ich niemanden triggern will. Nur in der Therapie kann ich davon erzählen aber ich glaube ich brauche jetzt mehr als das.
    Ich hab einfach Angst dass das niemals aufhören wird.
    Ich finde mein aktuelles Gewicht zwar nicht gut aber ich weiß wenn ich abnehme, werde ich vieles was ich mir die letzten Jahre erkämpft habe verlieren. Also halte ich es nun schon seit Jahren und hoffe das auch der Kopf langsam mitzieht aber es wird einfach nicht.
    Es ist unglaublich Kräfteraubend.
    Aber das kennt ihr bestimmt oder?
    Ich würde mich freuen wenn jemand Lust hat zu schreiben wie es ihm/ihr so geht. Wie geht ihr im "Alltag" mit eurer Essstörung um?

    LG Carina
     
  2. Member

    Jana Monday

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    1.096
    173
    30 Jahre alt
    Dabei seit 7. Oktober 2016
    Hallo Carina :)
    Bei mir läuft es phasenweise richtig gut und dann wieder richtig bescheiden. Suizid gefährdet bin ich aber zum Glück nicht (mehr.)
    Mir hilft es in den beschissenen Phasen, wenn ich mich streng an das halte, was ich für die Woche vvorgeplant hab. Und manchmal nehm ich mir ne Auszeit und verbringe den Tag im Bett. Ich mache gerade auch viel Sport und versuche mit anderen zusammen zu essen, die keine ES haben und nix von meiner wissen.
    Du kannst dich gerne hier bewerben :)
     
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  3. Newbie

    Arielle

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    180
    100
    33 Jahre alt
    Dabei seit 26. Dezember 2015
    Hallo.
    Also, das was du beschreibst, kenne ich sehr gut, auch wenn es inzwischen ziemlich weit weg ist von mir (bzw. lange her, dass ich es selber erlebt habe).
    Ich denke, diese Phase kurz nach "Überwindung" der "prekären Magersuchtsphase" ist eine ziemlich individuelle, stressige und einen auf den Prüfstand stellende Zeit. Man gewöhnt sich wieder an das "normale Essen", gleichzeitig steckt das Hungern noch tief in den angelernten Gewohnheitsmustern, die den Alltag über lange Zeit dominiert haben.

    Ich persönlich habe es damals geschafft, "durchzuhalten", indem mir andere Sachen wichtiger wurden als Dünnsein. Vielleicht habe ich mich auch einfach abgelenkt. Es war die Zeit, in der ich volljährig wurde und plötzlich meine Freude an Ausgehen, Parties und auch Alkohol entdeckte. Plötzlich war es nicht mehr vorrangig, mein Gewicht möglichst niedrig zu halten.

    Erst einige Jahre später kam der Wunsch, dünn zu sein, wieder zurück. Seither beherrscht er auch meinen Alltag wieder stärker. Wie ich damit umgehe? Gute Frage. Keine Ahnung. Ich versuche ihn zu verdrängen. Mir zu sagen, dass es mir so besser geht. Ob das wirklich so ist...schwer zu sagen. Manchmal vermisse ich die Hungerzeit. Auch wenn das ein quälender Gedanke ist.

    Derzeit befasse ich mich aber mit anderen Dingen, ich hab auch sehr viel um die Ohren und daher keine Nerven, mich von meiner ES allzu sehr beeinträchtigen zu lassen. Dass sie irgendwann mal wieder Überhand gewinnt, ist nicht auszuschliessen.

    Ich hoffe, dir geht es soweit gut und deine Genesung verläuft nach Wunsch :)
     
  4. Gast

    xomayaox

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    Top Poster des Monats

    Hallo liebe Carina,

    ich weiß nicht, ob du das hier noch lesen wirst, aber ich wollte dir trotzdem ein paar Zeilen schreiben.
    Was du schreibst kann ich sehr gut verstehen, ich bin schon seit einiger Zeit wieder im Normalgewicht und habe auch das Gefühl, dass man damit nicht wirklich ernst genommen wird.

    Bei mir hat sich in den letzten Jahren sehr viel verändert, ich habe einen großen Schritt Richtung Heilung gemacht. Vor einem halben Jahr kam ich dann wieder ins Untergewicht.
    Ich spüre bei mir, dass die Krankheit in Wellen kommt. In guten Zeiten kann ich normal essen, in schlechten bekomme ich keinen Bissen runter. Die Gedanken sind trotzdem immer da. Je nachdem in welcher Wellenphase ich mich befinde, muss ich danach handeln. Ich habe das Gefühl zB nicht einfach hungern zu können, wenn ich in der vermeintlich guten Phase bin. Es ist für mich keine Willensentscheidung. Die Krankheit entscheidet für mich, ob gerade gegessen wird, oder nicht. Schwierig zu beschreiben, ich finde es sehr komplex, weil so viele Faktoren bei mir reinspielen.
    Gleichzeitig fühle ich mich gerade so willensstark, weil ich es schaffe, den Gedanken zu widerstehen und zu essen. Alles paradox, fällt mir gerade auf. Eigenverantwortung ist so ein großes Wort, das ich immer wieder zu hören bekam. Man müsse für sich selbst Verantwortung übernehmen. Und das tue ich auch. Immer wieder neu kämpfe ich gegen die Gedanken an, esse, obwohl alles in mir "hungern!" schreit. Manchmal fühle ich mich noch sehr gefangen in der Krankheit. Manchmal glaube ich, frei davon zu sein. Alles sehr instabil und kann jederzeit wieder anders werden.

    Falls du das liest, magst du berichten, wie es dir die letzten Wochen erging? Ich wünsche dir alles Gute gerade für die Weihnachtszeit, die für ESler doch immer eine Herausforderung darstellt...so ging es mir bisher jedenfalls.

    Liebe Grüße,
    Maya
     
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