Anorexia nervosa jahrzehntelang missverstanden - neue Studie

Dieses Thema im Forum "Diskussionen" wurde erstellt von Lynx, 27. April 2019.

  1. Gast

    Lynx

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    Hallo unbekannterweise,

    das Ergebnis dieser Studie finde ich sehr interessant, auch weil die Experten dort etwas feststellen, was mir aus meiner anorektischen Zeit leidlich bekannt ist und was nicht einmal von Psychologen/Therapeuten verstanden wird imho.

    Es geht darum, dass magersüchtige ihren Körper durchaus ähnlich realistisch wahrnehmen, wie gesunde Menschen. Sie sehen sich also nicht als dick in dem Sinne, wie das landläufig in Bezug auf Magersucht dargestellt wird. Es ist vielmehr so, dass sie schlicht ein dünneres Figurideal präferieren, als gesunde Menschen.

    Für mich ist das wichtig, diesen Unterschied festzuhalten, weil es eben auch von "Profis" regelmäßig heißt, dass Magersüchtige ihren Körper nicht richtig sehen könnten und ihn als (nach normalen Maßstäben) dick sehen würden im Spiegel.

    Es mag für viele evtl. unter'm Strich egal sein, aber für mich ist das ein elementarer Unterschied. Ich habe während der Erkrankung z. B. sehr wohl gesehen, dass ich deutlich dünner als andere war und dass ich sehr schmal aussehe bzw. deutlich anders, als selbst schlanke gesunde Mitmenschen. Also ich habe meinen Körper realistisch gesehen, wie er ist, im Spiegel. Nur ändert das am Gefühl (sic!) noch zu dick zu sein bzw. auch am Drang weiter abzunehmen nichts.

    Entsprechend habe ich auch nie einen Sinn in diesen Therapieübungen erkennen können, die andere Betroffene aus ihren Therapien beschreiben. Z. B. diese Übung, bei der man seine Figur als Seil legen muss (nach dem geschätzten Umfang). Standard auch in vielen Reportagen dazu war jedesmal, dass die Betroffenen das Seil größer legen, als sie tatsächlich an Umfang haben, und das dies zeigen würde, dass die Betroffenen sich optisch wie jemand Dickes wahrnehmen, also so, als läge ihr physischer BMI deutlich über ihren tatsächlichen BMI.

    M. E. wird das leider auch von Therapeuten und der Fachliteratur nicht korrekt dargestellt und verstanden, was es mit dem verzerrten Körpergefühl auf sich hat. Zumal diese Symptome reproduzierbar sind bei gesunden Menschen, denen die Nahrung entzogen wird, vgl. das Minnesota-Starvation Projekt. Die Teilnehmer dort waren alles Männer, die sicher kein untergewichtiges Figurideal hatten, und dennoch infolge des Hungerns und der damit einhergehenden physisch-psychischen Prozesse interessanterweise die gleichen Symptome, wie Magersüchtige, entwickelt haben.

    Vielleicht interessiert diese studie und ihr Ergebnis daher den ein oder anderen hier:
    Auszug:
    "Bislang deuteten viele Studien darauf hin, dass magersüchtige Frauen an einer verzerrten visuellen Selbstwahrnehmung leiden und sich selbst als zu dick wahrnehmen, obwohl sie in der Regel stark untergewichtig sind. „Dafür haben wir aber keine Hinweise gefunden", sagt Katrin Giel, Leiterin der Forschungsgruppe für Psychobiologie des Essverhaltens von der Universität Tübingen. „Vielmehr haben schlankere Frauen und Patientinnen mit Magersucht ihr virtuelles Körpergewicht leicht unterschätzt. Die Abweichungen von den normalgewichtigen Testpersonen waren jedoch sehr gering."

    "„Wir haben festgestellt, dass Frauen mit Magersucht sich ihres Aussehens sehr wohl bewusst sind", erklärt Simone Mölbert. „Wir konnten keinen Unterschied zu gesunden Frauen ausmachen, wie gut sie ihr Gewicht einschätzen können. Die Patientinnen zeigen aber eine klare Präferenz für stark untergewichtige Körper." Die Tatsache, dass Frauen mit Magersucht eine andere Meinung darüber haben, welches Gewicht wünschenswert ist, und nicht eine verzerrte visuelle Selbstwahrnehmung, sollte daher bei zukünftigen Therapien für Menschen mit Essstörungen im Vordergrund stehen."
    Quelle: Magersucht-Patientinnen finden Untergewicht attraktiver

    Grüße
    Lynx

    p.s.:
    Rein bezogen auf das Figurideal und nicht auf die Suchtproblematik beim Hungern/bei Magersucht verhält es sich bei mir z. B. so, dass ich - immer schon, auch als Kind - etwas androgyne Figuren ideal fand, ohne mir dessen richtig bewusst zu sein. Mein eigener Körperbau ist von Natur aus auch eher androgyn in dem Sinne und am wohlsten fühle ich mich äußerlich wie innerlich mit leichtem Untergewicht. Die Proportionen sind dann für mein Empfinden harmonisch, vor allem zw. Ober- und Unterkörper. Das ist etwas, das lange vor irgendeiner Essstörung bei mir so war und ohne, dass ein gesellschaftliches Schönheitsideal mir dies vorgegeben hätte. Im Gegenteil, nach dem gesellschaftlichen Schönheitsideal ist der Figurtyp, den ich als für mich physisch, aber auch von meiner geistigen (geschlechtslosen) Identität, als stimmig erlebe, eher ein No-Go aka "unweiblich", "zu männlich" (weil fast keine weibliche Brust und Hintern + gerader Körperbau mit sichtbaren Muskeln) etc..
    Ich weiß natürlich nicht, welches persönliches Figurideal andere Betroffene haben (immer schon ihrerseits gehabt haben, auch vor der Erkrankung) und die Gründe dürften individuell verschieden sein. Aber mir sind ein paar Gemeinsamkeiten aufgefallen und insofern erscheint mir das Ergebnis dieser Studie äußerst plausibel, dass Magersüchtige sich korrekt wahrnehmen physisch, aber als dick empfinden, weil sie ein untergewichtiges Figurideal haben und weil infolge von Essen der Dopaminkick, der vorher durch das Hungern aktiviert wurde, erlischt/verringert wird. Das ist in etwa so, als würde man jemanden, der Heroin eingenommen hat, ein Antidoton verabreichen und sich wundern, dass derjenige daraufhin schlecht gelaunt ist, sich niedergeschlagen fühlt usw..

    Das hat auch nichts mit diesem unsäglichen, ausgelutschten Klischee zu tun, dass Magersüchtige Models nacheifern würden. Wenn dem so wäre, würden sie ja auch aufhören, sobald sie unteres Normalgewicht oder nur leichtes Untergewicht erreicht hätten. Ich denke, euch muss ich die Unlogik hinter diesem Klischee nicht weiter erklären.


    Natürlich ist das mit dem eigenen Figurideal nur ein Aspekt von vielen, der ggf. eine Essstörung begünstigt. Das Problem ist ja auch nicht ein etwaiges Diätvorhaben als Einstieg, sondern eher - so würde ich das beschreiben - dass beim Hungern Botenstoffe wie Dopamin etc. ausgeschüttet werden, und man merkt, dass das "kickt"; man hat auf einmal mehr Antrieb (sehr verlockend v. a. wenn man vorher antriebslos war durch übersehene körperliche Erkrankungen), bessere Laune, es chillt einen einfach etc.. Der Effekt erlischt, sobald man etwas isst und/oder zunimmt.

    Insofern wundert mich, dass bei Magersucht gerne so getan wird, als würde es nur darum gehen, dass die Betroffenen sich zu dick sehen würden im Spiegel und deshalb immer weiter abnehmen möchten etc.. Das stellt die Erkrankung m. E. falsch dar und stimmt so nicht. Leider hat sich dieses falsche Bild heutzutage in den Köpfen vieler Außenstehender eingebrannt.
     
  2. inside*a*cocoon

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    Hallo Lynx,

    vielen Dank für Deine Erkenntnisse und den Link *blumeschenk*
    Ich habe von mehr als einer Betroffenen bisher schon gehört und gelesen, dass sie sich nicht als deutlich umfangreicher als sie waren, gesehen haben, sondern schlicht gerne dünner sein wollten als sie zu einem bestimmten Zeitpunkt waren oder wie es dort ja auch gesagt wird ein dünneres Ideal hatten.

    Generell hatte ich ganz persönlich das Gefühl (also das ist ganz unwissenschaftlich und wirklich nur meine ganz persönliche Meinung!), dass eine Art gewichtsspezifische Dysmorphophobie und Anorexie (manchmal auch noch Bulimie) gerne als eine Einheit gesehen und genannt werden, die mMn nicht zwingend ist.
    Ich finde es unheimlich wichtig für den Umgang mit Betroffenen das mal so aufzudröseln und auch zu trennen.
    Man will sich ja, wenn man sich schon überwindet und den Mut hat Hilfe zu suchen, auch gesehen und verstanden fühlen.
    Mir stellen sich immer nahezu alle Härchen am Körper auf wenn ich in meiner Therapie (Angst/Depressionen) sowas erlebe. Meine Therapeutin ist zum Glück sehr einfühlsam und besteht nicht darauf, dass alles auf jeden zutreffen muss, aber leider scheint so ein Verhalten nicht der Standard zu sein wenn ich von anderen Erfahrungen lese oder auch von anderen meiner Erfahrungen beim Arzt mit Problemen mit Medikamenten ausgehe, wo mir schon ins Gesicht gesagt wurde, dass meine Beschwerden nicht sein könnten. (Sie waren übrigens real und ich habe zu einer geringen Prozentzahl gehört, die eine paradoxe Reaktion auf das Medikament hatte, wie ich im Nachhinein mit einem verständigeren Arzt rausfinden durfte.)
    Das fühlt sich wirklich an wie ein Schlag ins Gesicht und ich denke auch, dass Menschen, die in medizinischen und therapeutischen Bereichen arbeiten, eigentlich dazu fähig sein sollten über Diagnose- und Krankheitskriterien hinaus schauen zu können, um auch die Person, die vor ihnen sitzt und Hilfe sucht, sehen und verstehen zu können. Das muss mMn sein um auch wirklich helfen und unterstützen zu können.

    Aber um auch den Geist und die Meinung zu öffnen sind solche Studien wirklich sehr wichtig, denke ich.
    Was nutzt es an einer eventuell nicht vorhandenen Dysmorphophobie rumzufragen und rumzubehandeln wenn andere Probleme doch mehr Zeit und Raum haben könnten? Ganz zu schweigen davon, dass es für die Person, die behandelt wird, sicher auch heilsam und wichtig sein kann, dass sie ernst genommen wird in ihrem eigenen Empfinden.

    Ich bin sehr froh, dass ich das lesen durfte und ich hoffe, dass es Betroffenen und Behandelnden helfen kann *heart*

    Liebe Grüße
    inside*a*cocoon
     
  3. Newbie

    Arielle

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    32 Jahre alt
    Dabei seit 26. Dezember 2015
    Wow. Vielen, vielen Dank für diesen Beitrag. Genau dieses Phänomen hat mich schon immer sehr gestört, dass Menschen gemeinhin annehmen, Magersüchtige sehen sich als zu dick. Es erschien mir zwar nie wichtig genug, da weiter gross drüber Recherchen anzustellen, ich hab das aber auch einfach mal so hingenommen und mir gedacht, womöglich bin ich eben die einzige Anorektikerin, die sich selber realistisch sehen kann im Spiegel und sich dennoch zu dick fühlt.

    Generell glaube ich, das Problem besteht in der Verständigung. Kommunikation kann vieles, aber eben nicht alles. Beim Deutlichmachen von Gefühlen/Wahrnehmungen hinkt sie leider oftmals hinterher. Einfaches Beispiel: ich hab mal wieder zuviel gegessen, die Hose spannt, ich hab keinen Sport gemacht, fühle mich unwohl. In so einem Moment sage ich nicht "Ohje, ich weiss, ich bin normal schlank, aber gerade fühle ich mich aufgrund der Umstände, die ich selber geschaffen habe, so unwohl, dass ich mich wie ein fettes Schwein fühle, obwohl ich das nicht bin", sondern ich sage einfach "Mann bin ich fett", was dann widerum mein Gegenüber natürlich so auffasst wie: aha, die findet sich also optisch zu dick.

    Das ist natürlich etwas heruntergebrochen, aber...ich denke, es geht in die Richtung. Anorektische Menschen sind so in ihrer Abnehmspirale gefangen, dass jede "Aufwärtsbewegung" als Rückschritt und vor allem Schritt in die Fettleibigkeit und das kolossale Versagen gesehen wird. Dies wird dann folglich auch so nach aussen kommuniziert (wenn es nicht für sich behalten wird) und von der Umwelt ein wenig verzerrt aufgenommen.

    Wirklich spannendes Thema. Ich bin froh, dass du es hier reingebracht hast. Es wird allerhöchste Zeit, in Sachen Essstörungen Aufklärungsarbeit zu leisten, unsere Gesellschaft hat da teilweise echt noch komplett veraltete Ansichten.
     
  4. Member

    Jana Monday

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    29 Jahre alt
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    *applaus*:_giggle__Revision_b:_giggle__Revision_b:_giggle__Revision_b tbh das würde ich gern sehen. Ich glaube, dann wären alle so verwundert über diese offene Kommunikation, dass da wieder irgendwas anderes draus hergeleitet werden würde.
     
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  5. Newbie

    Arielle

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    32 Jahre alt
    Dabei seit 26. Dezember 2015
    Hahaha, du hast recht. Dann würde einem vermutlich irgendwas Narzisstisches unterstellt werden, weil man sich so umständlich und gezwungen realitätsnah ausdrückt.
     
    Jana Monday gefällt das.
  6. inside*a*cocoon

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    Das Problem habe ich oft mit Ärzten. Ich versuche ganz genau zu beschreiben, was los ist und es scheint einfach nicht anzukommen oder meine sorgsam überlegten Aspekte werden einfach teilweise nicht beachtet.
    Man muss wahrscheinlich auch manchmal einfach nach jemandem suchen, der einen versteht oder bereit ist sich etwas mehr Zeit zu nehmen.
    Ich bin ja gerade in einer Therapie und es hat echt gedauert bis ich da jemanden gefunden habe, wo ich das Gefühl hatte, dass man sich auch auf mich einlassen möchte und mir zuhört.
    Find ich, ist ein ganz sensibles und schwieriges Thema.


    Als jemand, der leider mit NPS in der Familie Erfahrungen machen musste, kann ich da nur trocken lachen. (Also nicht über Dich Arielle! Sondern über denjenigen, der so ein Kriterium hernimmt.)

    Ich glaube, ich könnte jemaden "vom Fach", der das ernst meint, selber nicht mehr ernst nehmen.
    Generell hab ich mal von einer seltsamen Verknüpfung von angeblicher NPS und Essstörungen gelesen. Ich muss sagen aus meinem Erleben heraus find ich das nicht wirklich sinnig.
    Es kann sicherlich sein, dass eine Person mit beidem zu kämpfen hat, aber ich sehe da keine zwingende Verbindung beider Bereiche und finde das auch wieder unglaublich übergriffig essgestörten Menschen gegenüber.
    Und warum nur in diese eine Richtung?
    Ich habe noch nirgendwo gesehen, dass Menschen mit NPS ebenso eine Essstörung einfach mal nebenbei unterstellt wird.
     
  7. Newbie

    Arielle

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    32 Jahre alt
    Dabei seit 26. Dezember 2015
    Ich hatte das gar nicht mal auf die ES bezogen, sondern nur auf die Formulierungsweise - zudem war das ja ein absolut fiktives Beispiel, da ja eben eher keiner sich so ausdrückt. Aber ja, du hast recht - auch ganz abgesehen von der Sprache wird Magersüchtigen von Aussenstehenden ja gerne mal unterstellt, sie seien einfach nur stumpfsinnig perfektionistisch.
     
  8. inside*a*cocoon

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    Hallo Arielle *wop-rose*

    Ich freu mich grade echt, dass das fiktiv war. Hab leider schon so einige Klöpper von Menschen, die eigentlich helfen sollten, erlebt oder mitbekommen. (Natürlich hab ich auch viel Positives gesehen und erlebt. Ich sag das ganz ausdrücklich nochmal hier um niemanden abzuschrecken sich Hilfe zu suchen. Tatsächlich überwiegen die guten Erfahrungen. Es lohnt sich also es zu versuchen und falls die erste Hilfssituation nicht zu einem passen sollte, weiter zu schauen <3)

    Ich habe sicherlich auch eine etwas andere Perspektive wenn es um Narzissmus geht, eben weil ich es leider mit jemandem, der eine NPS hat, zu tun hatte.
    Mir ist auch bewusst, dass man zwischen normalen Alltagsnarzissmus und NPS unterscheiden muss, aber irgendwie sträubt sich echt in mir alles, jemandem, der eine ES hat, auch nur Alltagsnarzissmus zu unterstellen nur mit der Begründung, dass eine ES narzisstisch sei.
    Ich seh das so simpel nicht, bzw. denke ich, dass das ein Missverständnis ist, wo angenommen wird, dass es bei Narzissmus um Aussehen geht.
    Aber auch da ist das ja auch kein wirkliches Verständnis für die ES, zu pauschalisieren, dass es dabei vordergründig ums Aussehen gehen würde oder, wie Du sagtest, um eine Art Perfektionismus.
    Sowas trifft bei mir irgendwie echt einen Nerv, wenn man es sich mit solchen Sachen durch Pauschalisierungen zu einfach macht.

    Ich hoffe, ich kann rüberbringen, dass meine Epfindlichkeit und auch irgendwo Genervtheit zu dem Thema nicht Dir geschuldet ist und wünsche Dir einen schönen Tag *blumeschenk*
     
  9. Member

    10gradminus

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    Dabei seit 16. Juli 2017
    Hmm, ich würde sagen, mir geht es da anders. Ich vermeide es allerdings auch, in den Spiegel zu schauen. Ich habe meist das Gefühl, dicker als jemand anderes zu sein, nur auf Fotos erkenne ich dann, dass das nicht so ist. Generell verändert sich auch meine Wahrnehmung im Laufe der Zeit, auf Fotos, die einige Jahre alt sind, kann ich erkennen, dass ich untergewichtig und objektiv zu dünn bin, jetzt gerade habe ich das Gefühl, ganz durchschnittlich auszusehen.
     
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  10. Gast

    Traum

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    Das Thema ist wirklich spannend!

    Ich hatte oft schon in der Therapie, dass man mir nicht glaubt, dass ich mich (recht) realistisch bestrachte. Dann hieß es "Wie, du hast eine Essstörung, aber siehst dich realtistisch?" oder "Du lügst uns nur an, eigentlich siehst du dich viel dicker!"
    Das war immer shr enttäuschend und letztendlich auch der Grund, weshalb ich lange nicht das Thema Essstörung in der Therapie angegangen bin. Das Unverständnis darüber, dass ich einfach ein anderes Ideal habe und somit bin ich natürlich "zu dick", wenn man den Maßstab beachtet, an dem ich mich messe.

    Ich bin auf jeden Fall froh, dass es nicht nur mir so ergeht, denn ich habe mich lange mit dieser Themaik sehr einsam gefühlt. Gerade weil einem wirklich niemand glaubt, dass man sich nicht wirklich als übergewichtig sieht, oder man sehr wohl weiß, wie dünn man ist. Das führt so schnell zu Missverständnissen, in meinem Fall ging auch lange das Vertrauen in die Therapeuten verloren, die einem etwas anderes einreden wollten.
    Derzeit ist es zum Glück besser, meine jetzige Therapeutin nimmt erstmal alles so, wie ich es sage. Manchmal hinterfragt sie, aber sie bezweifelt nicht, dass ich es in dem Moment so empfinde, wie ich ihr die Dinge erzähle. Das ist wirklich Gold wert und kann ich nur jedem wünschen!

    Zu der Aufgabe mit den Bändern, die man um sich legt. Ich kenne viele, die das Band absichtlich größer gelegt haben, als sie sich gesehen haben, aus der Angst, man ist dicker als das, wie man das Band legt. Zudem finde ich es auch schwierig, aus dem Stand heraus zu wissen, welchen Umfang man in "3D" hat - wenn man sich nicht gerade regelmäßig misst.
     
  11. Member

    Maya

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    Dabei seit 4. Januar 2019
    Das mit dem Band ging mir exakt genauso. Ich hatte Angst, es falsch einzuschätzen und am Ende zu sehen, dass ich dicker bin, als ich es gelegt habe. Das wäre furchtbar gewesen.
    Ansonsten verändert sich meine Wahrnehmung da immer ein bisschen. Manchmal fühle ich das Fett an meinem Körper, wie es überall rausquillt, obwohl ich 3kg weniger wiege als zu einem Zeitpunkt, an dem ich das Fett nicht gesehen habe. Manchmal sehe ich meinen Bauch und denke, er sehe normal aus, manchmal glaube ich, viel viel dicker zu sein als mein Umfeld.
     
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  12. Gast

    Traum

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    Top Poster des Monats

    Ich kenne das auch mit der Schwankung. An einigen Tagen schaue ich in den Spiegel und denke: "Ja, du bist endlich mal nicht so fett!", vielleicht weil eine Hose passt oder das Essverhalten normaler war, man ein Kompliment bekommen hat.
    Aber dann gibt es auch Tage, an denen ich mich unglaublich fett fühle, überall nur Fett wahrnehmen kann, als sei ich der größte Wal. Einfach weil ich für mich persönlich zu viel bin. Das ist dann nicht auszuhalten und dann kommt es, dass ich mich auch mal viel dicker sehe, obwohl ich WEIß, dass ich das nicht bin.

    Gerade weil man sich auch unterschiedlich fühlen kann, finde ich so schade, wenn man nur als "die Essgestörte, die sich zu dick findet" wahrgenommen wird. Es ist viel mehr als das.
     
  13. Member

    Maya

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    Dabei seit 4. Januar 2019
    Da gebe ich dir vollkommen Recht. Erst gestern habe ich mich mit meinem Chef über Vorurteile bei psychischen Erkrankungen unterhalten. Da gibts ne Diagnose und in die Schublade wird man gesteckt. Weil irgendjemand damals das mal so empfunden hat und ein paar das bestätigen konnten. Oder weil Ärzte, die selbst nicht wissen, wie es sich anfühlt, glauben zu wissen, wie es ist.
    Eine ES kann ja auch so verschieden sein.
    Meine Therapeutin ist da zum Glück ganz anders. Sie vergibt keine Diagnosen. Ihr sind die Diagnosen total egal. Sie behandelt den Menschen und sucht Lösungsstrategien, um mit den Schwierigkeiten umzugehen.
     
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