Eure Eltern / Erziehung

Dieses Thema im Forum "Diskussionen" wurde erstellt von 10gradminus, 17. Juli 2017.

  1. Paintbrushesinmyhair

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    38 Jahre alt
    Dabei seit 1. Juli 2018
    Das freut mich für dich! Tjaja Familienkisten sind echt manchmal nicht so einfach...
     
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  2. Sternentänzerin

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    Top Poster des Monats

    Ein wirklich sehr interessantes Thema, welches mich zum Nachdenken angeregt hat. Und da ich gerne die Zeit der Anmeldung überbrücken möchte, möchte ich mich gerne dazu äußern.
    Mir fällt auf, dass es bei mir tatsächlich einen Zusammenhang zwischen Erziehung und meiner ES gibt, auch wenn diese damals eine andere war, als diese, welche ich jetzt habe. Aber das ist ja auch häufiger so, dass eine ES einen länger begleitet, als man anfangs vermutet. Nun aber zum eigentlichen Thema.

    Ich wurde damals ziemlich verwöhnt. Meine Eltern waren beide adipös, haben dementsprechend viel und leider auch mal fettiger gekocht und ich bekam auch viele Süßigkeiten. Als Kind macht man sich manchmal nicht so die Gedanken darüber, welche Auswirkungen das auf einen im späteren Verlauf haben kann. Ich war auch viel draußen zum spielen und habe auch gerne Gemüse gegessen, aber eben auch Süßigkeiten, die ich meist zu Hauf hatte. Ich glaube das kam auch daher, dass meine Eltern damals selber nicht viel hatten und mir einfach ein schönes Leben ermöglichten wollten, egal in welcher Form.

    Das war allerdings nicht der einzige Faktor. Immer wenn es Essen gab, dachte meine Mutter wohl, dass ich fast am verhungern wäre und die Portionen die ich bekam, waren meist groß und gehäuft. Ich mache ihr da keinen Vorwurf, da es manchmal auch schwierig sein kann eine gute Balance zu finden. Als Erwachsener isst man idR ja mehr, als ein Kind. Jedoch musste ich immer brav aufessen, um draußen spielen zu können. Ich weiß noch, dass ich damals unbedingt Pokemon sehen wollte und um das sehen zu können, musste ich eine Bratwurst essen. Ich mochte die schon damals nicht, weil die Pelle zu dick war und ich generell nicht ganz so der Fan von Würtchen jeglicher Art, aber Pokemon zuliebe, habe ich sie dann einfach gegessen :2. laugh:

    Als ich älter war, hatte ich bereits schon ein so gestörtes Verhältnis zu Essen, dass ich die Kontrolle verlor und damit begonnen hatte aus Langeweile zu essen. Abends, wenn ich einen Zeichentrickfilm gesehen habe, hat mir meine Mutter Brot und Beilagen wie Tomaten zubereitet. Anstatt aber 1-2 Schnitten zu essen wollte ich immer mehr. Rückblickend betrachtet frage ich mich wie teilweise 8-10 Scheiben Brot in ein 10 Jähriges Kind reinpassen konnten. Ich weiß nicht, ob meine Eltern das jemals hinterfragt hatten, gerade weil ich dennoch immer zwischen Normalgewicht und leichtem Übergewicht schwankte, aber es wurde mit den Jahren nicht wirklich besser, sodass ich irgendwann wirklich bei Übergewicht angelangt war und dementsprechen als Jugendliche dann auch Kommentare zu meinem Gewicht hörte. Diese kamen dann allerdings nicht nur von Außenstehenden, sondern auch von meinem Vater, was mich sehr verletzte. Allerdings wollte ich auch nie etwas sagen, da insbesondere die Kommentare meines Vater nicht wirklich böse, sondern wohl eher lustig sein sollten. Um sich das besser vorstellen zu können waren die Kommentare meines Vaters eher Reaktionen auf etwas, das er sah. Beispielsweise wenn man im Fernsehen einen Elefanten sah, dann wurde gefragt, was ich dort im Fernsehen machen würde o.ä. Bei Außenstehenden war es dann anders und auch böswilliger. Beispielsweise, wenn der Bus auf einer Seite gesenkt wurde, um einen hilfsbedürftigen Menschen besser einlassen zu können hörte ich Kommentare, dass der Bus sich so neigt, weil ich so fett wäre. Und das waren leider noch die harmlosen Dinge. Sagen konnte und wollte ich aber auch nichts, weil ich mir damals dachte, dass alle damit Recht haben.

    Ich möchte hier auch auf keinen Fall als undankbar wirken. Meine Eltern haben mich ja nicht aus reiner Boshaftigkeit so überfüttert, sondern weil sie mich liebten und das weiß ich zu schätzen. Aber ich würde gerne aus meiner Kindheit und aus der Prägung lernen und werde bei meinen zukünftigen Kindern darauf achten, dass sie ausgewogen essen, vort allem nicht aus Langeweile und das Süßigkeiten eher die Ausnahme sein werden. Die Angst, dass sie dasselbe oder ähnliches wie ich durchmachen müssen würde mir das Herz brechen. Eine ES und das damit verbundene Leiden, sowohl psychisch als auch physisch wünsche ich echt keinem.
     
  3. Member

    10gradminus

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    Dabei seit 16. Juli 2017
    Da musst du dir auch keine Vorwürfe machen, finde ich. Es geht ja nicht um Schuld, sondern darum, mögliche Ursachen und Auslöser aufzudecken. Und da ist eben meist auch die Familie ein Teil, da erlernt man das Essverhalten und auch die Selbstwertthematik wird ja von den Eltern geprägt. Man erkennt auch wirklich, dass deine Eltern nie schlechte Absichten hatten, aber diese Mischung aus seltsamen Benimmregeln und zu großen Portionen und auf der anderen Seite diese Seitenhiebe durch Beleidigungen sind auf Dauer echt gefährlich. Das muss ja jahrelang so gelaufen sein und ich kann mir gut vorstellen, dass sich das total eingebrannt hat.
     
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  4. Gast

    Rosa

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    Top Poster des Monats

    Ich muss gestehen dieses Thema trifft bei mir einen Nerv. Ich habe ja selbst Kinder und wirklich große Angst, dass ich unterbewusst etwas vorlebe oder mitgebe. Ich bemühe mich gemeinsam als Familie zu Essen und es angenehm zu gestalten. Es gibt keine Verbote bei uns. Aber Regeln. z.B. keine Süßigkeiten zum Frühstück. Es gibt feste Essenszeiten und die Kinder müssen fragen, wenn sie etwas essen wollen.

    In meiner Kindheit gab es so gar keine Regeln. Wir konnten uns immer nehmen. Ich denke aber was mich schon geprägt hat, war, dass es immer unheimlich unangenehm war zusammen am Tisch zu sitzen. Man konnte die Luft schneiden. Aber das kam meist eh nur am Wochenende vor. Sonst hat jeder gegessen, wann er halt wollte.

    Ob das jetzt zu meiner Esstörung beigetragen hat? Zumindest nicht bewusst...
     
  5. Gast

    Chrystal

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    Top Poster des Monats

    Bei uns war tatsächlich jede Mahlzeit ein Kampf. Ein Ringen um Selbstständigkeit und unglaublich gewaltsam. Ich durfte als Kind — nichts. Und wurde behandelt wie ein niederes Objekt. Ich fühlte mich meinen Eltern absolut ausgeliefert und hatte extreme Angst vor beiden. Sie waren — jeder auf seine Weise — krank, sadistisch, böswillig und gestört, das alles hinter einer Fassade von Gutwilligkeit und übertriebener Annahme, überzuckert mit ,Bildung‘ und ,Kultur‘. Sie selbst hielten — beide — extrem strenge Diäten, um ihren Ansichten von Schönheit und Ästhetik zu entsprechen, versuchten, sich gegenseitig zu übertrumpfen, und erniedrigten ihre Kinder über das Essen, das ,zu sich nehmen‘. Im Nachhinein habe ich erkannt, dass sie ihren gesamten Selbsthass und ihren inneren Frust an uns ausließen. Du bist nicht gut genug für uns, du bist Schuld (das wir keine Götter sind), darfst aber auch niemals schöner, besser, erfolgreicher, ,dünner’ sein als wir. Wir wurden gerade über das Essen, und gerade am Tisch, richtig gequält. Ich entwickelte eine extreme Angststörung, die bis heute in mir wirkt, doch mir glaubte keiner. Im Gegenteil, ich war in diesem ,tollen, lieben‘ Haushalt das böse Kind. Ich entwickelte die ES als letzten Hilfeschrei und wurde zum Glück gerade noch rechtzeitig aus dieser ,Familie‘geholt. Es ist seltsam, das so öffentlich zu schreiben, aber in vielen ,Magersuchtsgeschichten‘, die ich gehört habe, versteckt sich hinter dem schönen ,Bildungshaushalt‘ ein sehr brutaler, eiskalter Umgang. Es gibt selbstverständlich auch ganz andere, schöne und harmonische Familien, keine Frage. In meiner gestaltete es sich gerade so, und ich habe heute nichts mehr mit diesen Menschen zu tun. Ich glaube, das hat mir das Leben gerettet.
    Chrystal :)
     
  6. Gast

    Chrystal

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    Top Poster des Monats

    Als kleiner Nachtrag fällt mir ein: Natürlich habe ich dieselbe Konstellation wie ,damals am Tisch‘, bzw. innerfamiliär immer und immer wieder re — konstruiert und wieder und wieder und wiedererlebt wie hinter einer Schallmauer. Immer wieder habe ich mich extrem angestrengt für die — vermeintliche — Anerkennung dieser Leute und, natürlich, nix dafür bekommen außer Abwertung, Schädigung, Erniedrigung, bewusste Quälereien bis hin zu Übergriffen und körperlichen Angriffen. Ich habe es nicht begriffen, und durch mein Trauma drang ,alles’ wie durch eine Nebelwand. Ich hielt das für Liebe, und ließ nicht los. Im Gegenteil. ,History Repeating‘ war erst mit einem großen Knall vorbei, ich habe davon schon im ,Pro‘ Thread geschrieben — dann aber auch richtig. Nein, lieber Camus — wir können uns Sysyphos nicht als ,glücklichen Menschen‘ vorstellen.
    So, das war es jetzt aber aus meinem Alltag. Ich wünsche allen eine schöne, heile Woche.
     
  7. Newbie

    Charlotte

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    Dabei seit 29. Juli 2019
    Meine ganze Familie war immer groß und schlank. Ich war nie dick, immer schlank bis normal, aber eben nicht so dünn wie meine Schwester. Meine Eltern haben oft Kommentare zu ihrer Figur gemacht, was mich irgendwie unterbewusst unter Druck gesetzt hat. Auch habe ich seit früher Kindheit in meiner Familie immer sehr starkes Fatshaming erlebt - Meine Eltern haben oft Kommentare zu anderen Menschen gemacht, egal ob auf der Straße oder im Fernsehen. Das war bei uns oft ein Thema.
    Und auch wenn meine Eltern nie wollten, dass ich abnehme, habe ich trotzdem oft Kommentae gehört, dass ich weniger Käse auf mein Brot tun sollte, Brie dick machen würden und ich "auch nicht immer eine dicke Pizza" bestellen müsse. Bei meiner Schwester war es immer eher ein "die nimmt ja eh nicht zu und kann essen, was sie will". Ich will hier auf keinen Fall meinen Eltern die Schuld an meiner ES geben, die hatte andere Ursachen, aber das war sicherlich nicht förderlich.
    Meine Eltern legen ebenfalls sehr viel Wert auf Bewegung und Ernährung. Mein Vater läuft jeden Tag mindestens 20.000 Schritte, meine Mutter verbrennt jeden Tag mindestens 1000 Kalorien. Beide landen nie darunter. Manchmal habe ich das Gefühl, sie sind nicht weniger gestört als ich...
     
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