Noch immer ist die Meinung, wir hungern damit wir begehrt werden, in so manchen Köpfen fest verankert. Als wären wir so verblendet nicht zu wissen, dass keiner der es ernst meint jemals sein Leben mit einem Knochengerüst teilen will. WARUM hunger ich? Erbreche ich? Ich gewinne nichts dabei. Doch ich verliere alles. "Hör auf dich zu übergeben" "Iss doch mal wieder anständig" Was bringen diese Sätze der Aussenstehenden mir? Bin ich ein Roboter mit einem "An/Aus Knopf?" Einem Reset-Button? Oh Gott, ich wünschte ich wäre eine dumme Maschine. Die nur das macht, was man ihr sagt. Nur ein einziges mal möchte ich diesen Reset Knopf drücken. Würde so gerne alles auf Anfang setzen. Ich würde soviel anders machen. Neu starten. All das zurück haben was ich verlor. Die Fähigkeit zu lachen. Emotionale Stärke. Die Kraft, zu verhindern in diese Gefühlsextreme zu verfallen die alles zerstörten. Ich weiß ich bin nicht schön. Egal wie dünn ich werde. Bin nicht begehrenswert. Ich wollte es auch nie auf diese Art für jemanden werden. Was habe ich verloren? Mein Körpergefühl. Die Erinnerung wie es ist, sich so glücklich und frei zu fühlen dass ich denke ich könne fliegen. Die Welt umarmen. Alles schaffen. Ich verlor die wichtigste Person in meinem Leben. Freunde. Emotionale Stabilität und die Fähigkeit selbst über die kleinsten Wunder zu staunen. Ich verlor die Person die ich einmal war. Und die Vorstellung wie sie geworden wäre. Denkt ihr wirklich das ich hoffe so werde ich begehrt? Glaubt ihr wirklich, ich würde nicht ALLES geben um diesen Aus-Knopf zu finden? Es gibt ihn nicht. Ich habe ihn gesucht. Alleine, dann mit Hilfe. Ich fand ihn nicht. Nie. Nur eine Betriebsanleitung die mir grob beschreibt, was ich tun muss um Systemfehler zu beheben. Und auf der letzten Seite, in kleiner Schrift die Anmerkung. "Glücklich sein kann trotz erfolgter Fehlerbehebung nicht garantiert werden"
Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll ... Ich würde ihn auch sooooo gerne finden, den Reset-Knopf :hm-:
Du sprichst uns aus der Seele Süße Das Schlimme ist, jedes Mal wenn man die ach so tollen Tipps von Außenstehenden hört, wie "du musst doch mal was essen", werden immer wieder diese Gedanken hochkommen, die du da gerade geschildert hast und keiner kann sie hören oder irgendwie verstehen.
Wie oft habe ich die Sätze gehört: "Iss doch mal anständig" "Kotz doch einfach nicht" "Dünn bist du AUCH nicht schön" (autsch) Und wie ihr, möchte ich meinen reset-Knopf finden. Ich habe mir die Krankheit nicht ausgesucht. Ich habe mir sie nicht gewüscht und wäre es so einfach, diesen Reset-Knopf zu drücken und alles wäre gut, wäre die Prozentzahl des Essgestörten in Deutschland nicht so hoch, denn ich kann mir nicht vorstellen, dass irgndjemand glücklich mit der Essstörung ist. Was wir alles verloren haben, ist kaum aufzählbar... die Selbstachtung... Spontaneität... Unbeschwertheit... Gefühl für Bedürfnisse... Wünsche... Zukunftsvorstellungen... Ich frage mich manchmal, warum Menschen nicht nachdenken, bevor sie sprechen. Niemand, wirklich niemand, kann sich eine Essstörung aussuchen und niemand möchte "nur so aussehen, wie die Stars" oder Aufmerksamkeit bekommen. Bitte einfach nachdenken. Mich macht es böse, denn ich kämpfe jeden Tag mit meiner Familie wegen diesen bekloppten Sätzen. Ich weiß, sie kommen mit der Hilflosigkeit und der Ohnmacht nicht zurecht, aber diese Sätze treiben mich noch weiter weg von Ihnen und ich kann Hilfe oder Ratschläge noch weniger annehmen, als ohnehin schon.
Ohja... Solche dummen Kommentare helfen absolut nicht weiter. Sie machen mich wütend. Weil ich den Menschen nicht erklären kann, wie es ist, es ihnen nicht so erklären kann, das sie mich verstehen. Und dann verzweifle ich an mir selber. Weil ich den Reset-Knopf nicht finde. Weil ich den scheiß nicht einfach abstellen kann. Obwohl ich es so gerne könnte!
Wow.. der Text ist echt der Hammer... und auf den Punkt gebracht... Habe mega Gaensehaut bekommen! Wie wahr... wie wahr!
Der Text trifft es mal wieder super, cryfly. Du hast genau die richtigen Worte gefunden, um zu beschreiben, was wir verloren haben, als wir uns für das Ventil Essstörung entschieden haben. Oh wie Recht du hast! Man wird doch nicht einfach nur aus Spaß krank oder weil man eben mal dünn werden möchte. Aber es ist schon schockierend, wenn man sieht, was man alles aufgeben MUSS, was man verliert, wenn man krank ist.
Der Text ist wundervoll und ebenso wahr und traurig zugleich. Ich habe es aufgegeben zu erklären. Es wird einfach niemand verstehen. Nicht verstehen können. Niemand, der nicht selbst unter einer ES zu leiden hat. Was wir verlieren.. wir verlieren eigentlich alles.. Wir verlieren uns selbst.. Was bleibt, ist Einsamkeit, Schmerz, Trauer, Wut, Verzweiflung..
Manchmal glaube ich, dass man uns auch gar nicht verstehen will. Hauptsache es passiert nichts schlimmeres vor deren Nase und müssen sich somit keine Vorwürfe machen. Oder sie wollen es nicht verstehen, weil sie wissen, dass sie dass sie mit dran schuld sind.
Ja, dass mag wohl auch ein Grund sein, Lili. Hm ich weiss nicht, ich kanns nicht einschätzen. Es gibt wohl solche und solche. Aber egal aus welchem Grund, ein nicht-Betroffener, kann auf Dauer einfach nur sehr schwer damit umgehen.
Verständlich. Ich als ES-ler wüsste auch nicht ob ich auf Dauer mit einer anderen Essgestörten leben/wohnen könnte. Gebe ich ehrlich zu. Ich fands ja in der Klinik schon krass nach ner Zeit.
Ja, dass war bei mir in der Klinik auch so. Es war zwar keine Klinik speziell für ES`ler, aber dennoch war ich nicht die einzigste und es war tierisch anstrengend für mich, dass jeden Tag mitanzusehen/-hören. Schon echt krass.
Ich bin auch nach diesem Text wieder völlig beeindruckt! Eigentlich macht es mich traurig, dass sich so viele Mädchen und Frauen in dieser Geschichte wiederfinden können, quasi in einem Leben zu stecken, dass man sich niemals für sich ausgesucht hätte. Aber es macht mir auch ein wenig Mut, dass ich nicht die einzige bin. Bisher hat mich einfach NIEMAND verstanden. Und nun stoße ich auf dieses Forum und werde von einem Text nach dem anderen immer wieder umgehauen. Es tut irgendwie gut, 'mal was über einen selbst lesen zu können. Bei jedem zweiten Text hier denke ich "stimmt, so bin ich auch." Es mag makaber klingen, aber ich bin froh, dass es dieses Forum gibt und ihr alles hier seid. Und zwar nicht, weil ich froh bin, dass ihr alles das gleiche Problem habt, wie ich (ehrlich, das würde ich NIEMANDEM wünschen) sondern weil ich froh bin, dass man sich hier austauschen und auch so vieles über sich selbst erfahren kann.
Das sehe ich auch so Stella. =) In meinem Bekanntenkreis könnte ich wahrscheinlich nie so offen über meine ES reden. Und das wollte ich auch gar nicht. Aber hier habe ich das Gefühl, dass ich gar kein großes Theater darum machen muss weil viele ja ganz ähnliche Probleme haben. Das kann es schon leichter machen. Deswegen bin ich auch total froh, dass ich dieses Forum gefunden habe. Selbst wenn ich vielleicht nicht aufgenommen werde, habe ich mittlerweile immerhin das Gefühl, dass ich mit der ES gar nicht so alleine bin, wie ich bisher dachte. Und das tut wirklich gut.
Da gebe ich dir vollkommen Recht Lottti. Es gibt zwar super viele Foren für Essstörungen, aber entweder sind es Selbsthilfeforen, in denen die Mitglieder auf dem Weg der Genesung sind, oder es sind diese typischen "Pro Ana Foren", voll von "Wannabes" und "Sommer-Anorektikern". Ich weiß, dass es auch hier einen Aussteigerbereich gibt, aber finde es eben klasse, dass auch diejenigen, die die ES noch nicht loslassen bzw. bekämpfen können, einen Platz finden. Ich finde es toll, dass in diesem Forum keiner stolz auf seine ES ist und man wirklich die Möglichkeit hat, sich kritisch, offen und ehrlich mitteilen zu können. Und selbst im Falle einer Absage werde ich mich wohl weiterhin an den öffentlichen Themen beteiligen, einfach, weil das Niveau und die Atmosphäre hier ganz anders sind.
Das habe ich bei engen Freunden von mir glücklicherweise ganz anders wahrgenommen. Ich habe eine liebe Freunden, die wirkliches Interesse zeigt und mir auch nicht rät: "Iss halt einfach mal was und alles wird gut", sondern die es wirklich versucht meine ES nachzuvollziehen und mich irgendwie zu unterstützen. Dass das nur bedingt möglich ist, weiß sie selber ziemlich gut. Aber Ignoranz bzw. dumme Sprüche erlebe ich -zumindest von Freunden- nur selten. Und dafür bin ich auch sehr dankbar. Und ich glaube auch nicht, dass andere wirklich mit daran Schuld sind, dass ich selber solche Probleme habe. Aber das ist wohl auch eine Sache, die bei jedem anders ist. Liebe Grüße, Lotti
