Du denkst, „Pro Ana“ ist die Lösung all deiner (Figur)Probleme? Ein Lifestyle, eine Diät, ein Spiel? Du glaubst, du würdest am Ende schön und dünn sein? Dünn wirst du sein, ja – aber deine Schönheit wird auf diesem Weg verloren gehen, genau wie dein gesunder Menschenverstand.
Ana wird dein Leben zerstören. Sie wird dich dazu bringen, dich zu hassen, jeden Augenblick deines Lebens zu verabscheuen, dein Spiegelbild zu verfluchen, egal, wie dünn oder dick du bist. Du wirst kein Wunschgewicht mehr haben, weil dir nichts niedrig genug erscheint. Selbst wenn du nur noch Haut und Knochen bist, wirst du im Spiegel Fettpölsterchen sehen, die es zu wegzuhungern gilt. Fettpölsterchen, die nur in deinem Kopf existieren, die unsichtbar für die Augen anderer sind. Du wirst niemals den Punkt erreichen, an dem du mit dir und deinem Äußeren glücklich bist. Du wirst immer die fette Kuh sein, die du so verabscheutest. Du wirst Mädchen, die Größe 40 tragen, um ihre schlanken Beine beneiden. Du wirst panische Angst vor einem Stück Schokolade haben. Solltest du einmal schwach werden und dir doch einen Fehltritt erlauben, wirst du glauben zu spüren, wie sich deine Oberschenkel ausdehnen, wie dein Bauch über den Hosenbund quillt, wie deine Hüften auseinanderschwabbeln – just in dem Moment, in dem du den letzten Bissen schluckst. Anschließend wirst du dich entweder übergeben – dein Zahnarzt wird ein reicher Mann sein -, stundenlang Sport machen – auch dein Orthopäde wird sich an deinen kaputten Knochen eine mit Diamanten besetzte Nase verdienen -, oder dich einfach heulend unter der Bettdecke verkriechen und dir wünschen, niemals mehr hervorkommen zu müssen.
Anschließend wirst du hungern, um „Ana“ gnädig zu stimmen. Du wirst tagelang Buße tun, literweise Wasser trinken, wie ein hysterisches Kaninchen Salat knabbern, dir einreden, von Luft und Kaugummi leben zu können. Nur noch einen Tag, nur noch einen Tag. Aus einem Tag werden zwei, drei, vierzehn. Und irgendwann wirst du feststellen, dass Hungern deinen Körper nicht mehr dazu bringt, Gewicht zu verlieren. Aber glaubst du, du wirst sagen, oh, vielleicht sollte ich wieder mehr essen? Nein. Genau wie dein kaputter Stoffwechsel wird auch dein Kopf nicht mehr richtig arbeiten, Hand in Hand mit dem Rest deines Körpers, der langsam vor die Hunde gehen wird. Du wirst ständig das Gefühl haben, dich im freien Fall zu befinden. Und gelegentlich wirst du das auch wirklich sein. Du wirst ohnmächtig werden. In den unmöglichsten Situationen wirst du das Bewusstsein verlieren, dir die Knie und eventuell den Kopf aufschlagen. Blaue Flecken wirst du ohnehin ständig haben, huch, wo kommen die nur her? Weitere nette Geschenke, die deine neue „Freundin“ mitbringt – deine Haare werden ausfallen, dir wird ständig kalt sein, deine Organe werden versagen, deine Muskeln werden sich von dir verabschieden, dein Gehirn wird sich weigern, richtig zu arbeiten, du wirst nicht mehr sprechen können, du wirst keine Kinder bekommen können, weil deine Gebärmutter in der eisigen Kälte des Hungers erfriert, deine Knochen werden bei der kleinsten Erschütterung brechen – davon, dass du zu einem emotionalen Wrack werden wirst, ganz zu schweigen.
Deine Freundinnen werden dich nicht mehr verstehen. Aber hey, das macht nichts, denn im Grunde willst du ohnehin nirgendwo mehr hingehen. Ständig diese Blicke, dauernd dieses Getuschel, weil du so fett bist … weil du so fett bist? Nein, weil du so DÜNN sein wirst, dass die Leute sich fragen werden, ob du eine Leiche bist, die einfach nur vergessen hat, umzufallen. Und dann gibt es ja Essen überall, das dir angeboten werden könnte. Wenn du durch eine Einkaufspassage gehst, in der auch Imbissbuden ihren Platz gefunden haben, wirst du durchdrehen wegen all der Gerüche. Deine Eltern werden sich wegen dir die Stimme aus dem Hals klagen und sich in den Schlaf weinen, weil ihr kleines Mädchen langsam vor ihren Augen stirbt und sie nichts dagegen tun können.
Und jetzt kommst du und willst mir sagen, dass es nicht so weit kommen wird. Dass du aufhören wirst, bevor es zu spät ist. Dass du weißt, wo deine Grenzen liegen. Weißt du das? Du wirst sie ergründen und dann niederreißen, um sie zwei Meter weiter wieder aufzubauen, niederreißen, aufbauen, niederreißen. Und irgendwann wirst du dir nicht mehr die Mühe machen, sie wieder aufzubauen. Du wirst einfach resignieren und dich der Krankheit hingeben, ihr die Zügel in die Klauen legen und sagen: „Mach.“ Und irgendwann wirst du den Löffel abgeben. In jeder Hinsicht.
verfasst von Karmah